Am 6. Februar 2019 wurden die Zertifikate für die erfolgreiche Absolvierung der Zusatzausbildung im Informations-, Telekommunikations- und Medienrecht sowie für die Zusatzausbildung im Gewerblichen Rechtsschutz im Rahmen einer feierlichen Verleihung überreicht. Zu diesem Anlass durften wir Prof. Dr. Mary-Rose McGuire von der Universität Osnabrück begrüßen. Prof. McGuire hielt einen spannenden Festvortrag zu dem hochaktuellen Thema „Das Geschäftsgeheimnis: ein neues Schutzrecht?“.
Prof. McGuire studierte Rechtswissenschaften an der Universität Wien und promovierte zum Thema „Verfahrenskoordination und Verjährungsunterbrechung im Europäischen Prozessrecht“. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen insbesondere im Lizenzvertragsrecht und der Verfahrenskoordination bei grenzüberschreitenden Bestands- und Verletzungsstreitigkeiten. Derzeit beschäftigt sie sich mit der Einführung des Einheitspatents in das Patentsystem und dem Know-how-Schutz (EU-Richtlinie, Geheimnisschutz im Verfahren, Reverse Engineering), der auch Schwerpunktthema des Vortrags war.
Prof. McGuire eröffnete den Vortrag mit dem Grundproblem, das sich bei sämtlichen geistigen Leistungen stellt. Diese seien nur dann geschützt, wenn ein Gesetz dies bestimmt. Was zunächst unfair erscheine, ergebe in der Praxis jedoch durchaus Sinn. Gerade im Bereich der geistigen Leistungen bestehe stets die Gefahr, dass zwei Menschen unabhängig voneinander dieselbe geistige Leistung erbringen. Aus diesem Grund habe der Gesetzgeber festgelegt, welche geistigen Leistungen unter welchen Voraussetzungen geschützt werden. Geschäftsgeheimnisse wurden lange Zeit nur durch das UWG geschützt, sodass eine Verletzung nur bei Kenntnis des Geheimnisses möglich war. Mit der RL (EU) 2016/943 vom 8. Juni 2016 über den Schutz vertraulichen Know-hows und vertraulicher Geschäftsinformationen (Geschäftsgeheimnisse) vor rechtswidrigem Erwerb sowie rechtswidriger Nutzung und Offenlegung (sog. EU-Know-how-Schutz-Richtlinie) und dem darauf basierenden Gesetzesentwurf zur Umsetzung der Richtlinie (GeschGehG-Entwurf) werden die §§ 17 f. UWG aufgehoben und das Geschäftsgeheimnis aus dem UWG herausgelöst. Im Rahmen des Vortrags stellte Prof. McGuire sich daher die zentrale Frage, ob es sich bei dem Geschäftsgeheimnis um ein neues Schutzrecht handelt. Vom Gesetzgeber werde diese Frage nicht eindeutig beantwortet. Es bestehe jedoch durchaus Bedarf. Beispielhaft nannte Prof. McGuire etwa die Probleme, die beim Wechsel von Arbeitnehmern entstehen. Mit dem Arbeitnehmer wechsele nicht nur dieser, sondern auch das erlangte Wissen zum neuen Arbeitgeber, der häufig ein Mitbewerber sei. Ferner würden Geschäftsgeheimnisse auch durch Industriespionage gefährdet. Geschäftsgeheimnisse seien geradezu eine „bedrohte Spezies“. Sie seien nur dann sinnvoll einsetzbar, wenn der Inhaber bestimmen könne, wer sie nutzt. Rein faktischer Schutz genüge hierfür nicht, es sei vielmehr ein rechtlicher Schutz erforderlich.
Wolle man das Geschäftsgeheimnis als Schutzrecht anerkennen, so müsse man sich jedoch vom System des UWG lösen. Das Geschäftsgeheimnis müsste vom reinen Sanktionsrecht zum Zuordnungsrecht werden. Es müsste also aus dem Lauterkeitsrecht herausgelöst und zu einem Recht des geistigen Eigentums werden. Prof. McGuire stellte dabei fest, dass die deutsche Lehre dieser Anerkennung jedoch teilweise kritisch gegenüber trete. Es bestehe Angst davor, dass der Schutz zu weit gehen könnte. Insbesondere dürfe keine Überlagerung mit dem Patentrecht entstehen. Diese Sorgen versuchte Prof. McGuire jedoch zu entschärfen. Tatsächlich überlagerten sich Geheimnisschutzrecht und Patentrecht kaum. Als Beispiel diente etwa eine Kundenliste. Diese würde in den Schutzbereich des Geheimnisschutzrechts fallen, wäre jedoch in keinem Fall patentierbar. Es werde ferner auch nicht das Wissen als solches geschützt, sondern dessen wirtschaftlicher Wert.
Die EU-Know-how-Schutz-Richtlinie spreche für eine Einordnung des Geschäftsgeheimnisses als neues Schutzrecht. Das Recht werde hier, ebenso wie im System der übrigen geistigen Schutzrechte, dem Inhaber zugwiesen.
Abschließend hielt Prof. McGuire daher fest, dass es sich bei dem Geschäftsgeheimnis sehr wohl um ein neues Schutzrecht handele, das als Basis für die rechtsgeschäftliche Verwertung von Geschäftsgeheimnissen dienen könne und zudem die Durchsetzung von Ansprüchen aus diesen vereinfache. Zu beachten sei jedoch, dass es sich nicht um ein Exklusivrecht an der Information als solcher, sondern an dem Geheimnis handele. Aus diesem Grund stehe die Annahme eines neuen Schutzrechts auch mit der Begründung des Entwurfs zu einem GeschGehG in Einklang.
Im Anschluss an den Vortrag wurden einige Fragen aus dem Publikum beantwortet. Danach erfolgte die Verleihung der Zertifikate durch Prof. Holznagel und Prof. Bühling. Im Rahmen der Verleihung wurde zudem Herr Dr. Daniel Graetsch für seine hervorragende Dissertation zum Thema „Ökonomische Analyse des ergänzenden Schutzzertifikats für Arzneimittel unter besonderer Berücksichtigung des Schutzes von Wirkstoffkombinationen“ durch Prof. Hoeren mit dem Förderpreis der Forschungsstelle für Gewerblichen Rechtschutz ausgezeichnet. Außerdem erhielten Frau Nele Klostermeyer und Frau Tabea Hamburg Auszeichnungen für die besten Seminararbeiten des Jahrgangs.
Abgerundet wurde die Veranstaltung durch einen Sektempfang, bei dem die Preisträger, die Absolventen und sämtliche Teilnehmer die Gelegenheit hatten, auf die Auszeichnungen anzustoßen und sich über das Vortragsthema, das ausreichend Diskussionsstoff bot, auszutauschen.