Blog Post: Vom Auftragsmaler zum Miturheber anhand von „Paris Bar“

 

geschrieben von Cemal A. Celik

 

Was passiert eigentlich, wenn ein Auftragsmaler zum Miturheber eines Kunstwerks wird?

Kunst entsteht oft im Dialog, wenn Ideen und Ausführungen mehrerer Personen ineinandergreifen. Doch wer darf sich am Ende als Urheber bezeichnen, wenn ein Künstler als Ideengeber einen Auftragsmaler mit der Umsetzung einer Vorlage beauftragt?

Das Münchener Landgericht gab im Fall der „Paris Bar“-Gemälde eine klare Antwort: Auch derjenige, der „nur“ einen Auftrag ausführt, kann Miturheber sein, sofern er kreative Freiheit nutzt.

 

Der Fall „Paris Bar“

Im Jahr 1992 beauftragte der deutsche Künstler Martin Kippenberger (1953–1997) ein Berliner Werbeplakatmalunternehmen, ein Gemälde von seiner temporären Ausstellung in der Berliner Paris Bar anzufertigen.
Der Auftragsmaler Götz Valien fertigte auf Grundlage einer Fotovorlage, welche Kippenberger selbst aufgenommen hatte, drei Versionen an:

  • Version 1 (1992): Ein fotorealistisches Großformatgemälde der Ausstellung, das bis 2004 in der Paris Bar hing.
  • Version 2 (1993): Ein „Bild-im-Bild“, das Version 1 an der Wand der Paris Bar zeigt.
  • Version 3 (1993): Eine leicht abgewandelte Neuinterpretation, die Valien eigenständig entwickelte.

Nach Kippenbergers Tod wurde Valien weder im offiziellen Werkverzeichnis noch bei Versteigerungen (u. a. bei Christie’s für über 2,6 Mio. Euro) als Urheber genannt. Im Jahr 2022 klagte Valien daher vor dem Landgericht München I auf Anerkennung seiner Miturheberschaft an den ersten beiden Versionen. Kippenbergers Nachlassverwalterin bestritt dies und argumentierte, Valien habe lediglich als ausführender „Handwerker“ gearbeitet.

Doch was genau ist ein Miturheber?

Miturheberschaft im Sinne des § 8 Abs. 1 UrhG ff. liegt vor, wenn mehrere Personen gemeinsam ein Werk schaffen und ihre Beiträge untrennbar miteinander verbunden sind. Dies setzt voraus, dass jeder eine eigenschöpferische Leistung in Form einer Gestaltung erbringt, § 2 Abs. 2 UrhG.

Dazu muss das Werk eine individuelle „künstlerische Handschrift“ aufweisen, die über die einfache Handwerksarbeit hinausgeht, also eine persönliche geistige Schöpfung erkennen lassen. Dafür genügt in der Regel ein Funke eigenen kreativen Schaffens.

Aus der Miturheberschaft folgen sämtliche Urheberrechte. Insbesondere folgt daraus das Recht auf Anerkennung der Urheberschaft nach § 13 S. 1 UrhG und damit verbunden das Recht darauf, das Werk mit einer entsprechenden Urheberbezeichnung zu versehen, also namentlich benannt zu werden, § 13 S. 2 UrhG.

 

Im Fall „Paris Bar“ ging es damit im Wesentlichen um zwei Fragen:

Erstens: Genügte Kippenbergers Konzept allein für die Urheberschaft, oder war dies aufgrund Valiens gestalterischer Eigenleistung anders zu bewerten?

Zwar lieferte Kippenberger die Idee und das Foto als Vorlage, doch das Gericht unterstrich die Wertung des § 2 Abs. 2 UrhG („Schöpfung“), nach der das Urheberrecht nicht die bloße Idee schützt, sondern lediglich deren konkrete Umsetzung.

Zweitens: Nutzte Valien gestalterische Freiheit oder agierte er eigenmächtig?

Valien wich bewusst von der Fotovorlage ab: Er wählte warme Rot-Orange-Töne statt der kühlen Originalfarben, veränderte den Bildausschnitt für eine großzügigere Raumwirkung und fügte Schatteneffekte hinzu. Diese Entscheidungen schufen eine „einladende, lebendige Atmosphäre“, die indes auf der Vorlage nicht zu erkennen war.

 

Zwischen Auftrag und Gestaltungsspielräumen

Das Gericht unterschied klar zwischen rein technischer Ausführung von strikten Vorgaben (im Rahmen eines Auftrages) und kreativer Mitgestaltung (in Form von Autonomie) und betonte damit eine klare Grenze zwischen Handwerk und Kunst, die sich an einem kunsthistorischen Beispiel illustrieren lässt:

In der Werkstatt von Peter Paul Rubens (1577 bis 1640) malten Assistenten oft Hintergründe oder Details nach strikten Vorgaben. Weil sie keine eigenständigen Stilentscheidungen trafen, blieb Rubens alleiniger Urheber. Hätten sie hingegen eigene Farbkompositionen oder Interpretationen eingebracht (z. B. Farbton, Bildausschnitt und Schatteneffekte), wäre Miturheberschaft möglich gewesen.

Letzteres tat Valien: Er nutzte den Spielraum des vorgegebenen Malstils des Fotorealismus, um eine subjektive Interpretation umzusetzen. Das Gericht urteilte, dass solche Entscheidungen – selbst im Rahmen eines Auftrags – ausreichen, um Miturheberschaft zu begründen.

Das Landgericht München I entschied damit, dass Valien aufgrund dieser eigenständigen künstlerischen Entscheidungen Miturheber im Sinne des § 8 UrhG ist.

 

Fazit

Für Kunststudierende ist das Thema der Miturheberschaft nicht nur relevant bei Kooperationen, also bei Gemeinschaftsprojekten und Werkstattarbeiten, sondern auch bei Auftragsarbeiten, wie der von Götz Valien.

Es empfiehlt sich daher, vorab die Gestaltungsspielräume abzuklären und diese gegebenenfalls auch zu nutzen. Wem ein Gestaltungsspielraum eingeräumt wird, und diesen nutzt, der muss sich nicht darauf verweisen lassen, dass es sich „lediglich um Handwerk“ handelt. Insbesondere lohnt es sich, Auftragsanbahnung und kreative Prozesse zu dokumentieren.

Der Fall „Paris Bar“ unterstreicht, dass Urheberschaft nicht an Ruhm oder Ideen gebunden ist, sondern an nachweislich umgesetzter Kreativität. Auch Auftragsmaler können Miturheber sein, wenn sie ihre Handschrift einbringen.

 

Literatur

LG München I, Anerkenntnis- und Endurteil v. 07.08.2023 – 42 O 7449/22
https://rsw.beck.de/aktuell/daily/meldung/detail/lg-muenchen-i-streit-um-urheberschaft-der-gemaeldereihe-paris-bar-beigelegt
https://kur.quotus.org/article/KUR/2023/5-6/8

Bild

https://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/Y-300-Z-GRURRS-B-2023-N-19573?hl=true