Vortrag von Herrn Dr. Graetsch: Das ergänzende Schutzzertifikat – Anreizinstrument für die Entwicklung neuer Arzneimittel?

Am vergangenen Dienstag, den 23. Juli 2019, durften wir unseren Promotionspreisträger, Herrn Dr. Daniel Graetsch, bei uns am ITM begrüßen. Er gewährte spannende Einblicke in die Ergebnisse seiner Doktorarbeit „Ökonomische Analyse des ergänzenden Schutzzertifikats für Arzneimittel unter besonderer Berücksichtigung des Schutzes von Wirkstoffkombinationen“, für die er vom Förderverein der Forschungsstelle für Gewerblichen Rechtsschutz mit dem Förderpreis ausgezeichnet wurde.

Herr Dr. Graetsch ist Rechtsanwalt in Düsseldorf bei der renommierten Sozietät Krieger Mes  & Graf v. der Groeben. Dort berät und vertritt er in- und ausländische Mandanten in sämtlichen Fragen rund um den Gewerblichen Rechtsschutz. Den Schwerpunkt seiner Tätigkeit bilden nationale und grenzüberschreitende Patentverletzungsverfahren. Er studierte in Freiburg und Aberdeen und war während seines Referendariats unter anderem bei einer internationalen Großkanzlei tätig.

In seinem Vortrag fokussierte sich Herr Dr. Graetsch auf das ergänzende Schutzzertifikat und setzte sich mit der Frage auseinander, ob dieses Schutzrecht eigener Art an der Schnittstelle von Patent- und Arzneimittelzulassungsrecht ein Anreizinstrument für die Entwicklung neuer Arzneimittel sein kann. Nach einer kurzen Einführung zu Begriff und Funktion des ergänzenden Schutzzertifikats, welches die Laufzeit von Pharmapatenten um bis zu fünf Jahre verlängert, erläuterte Herr Dr. Graetsch, wodurch sich eine solche Quasi-Verlängerung des Patentschutzes für Arzneimittel rechtfertigt. Der Unterschied zu herkömmlichen Produkten bestehe darin, dass in der Arzneimittelherstellung mehrere zeitlich aufwendige Phasen durchlaufen würden, die letztlich in einer Zulassung münden sollen. Dies führe jedoch dazu, dass sich aufgrund des wettbewerblichen Erfordernisses einer frühzeitigen Patentanmeldung der generelle Patentschutz von 20 Jahren auf eine effektive Nutzungszeit von 10-12 Jahren bei Pharmapatenten reduziere. Um gleichwohl ein Anreizinstrument zur Entwicklung innovativer Wirkstoffe zu schaffen, wurde der europäische Gesetzgeber aktiv und integrierte die Möglichkeit der Verlängerung des Patentschutzes in Form des ergänzenden Schutzzertifikats.

Ob das ergänzende Schutzzertifikat von seiner Konzeption und Ausgestaltung diesem zentralen Anspruch gerecht werden kann, bewertete Herr Dr. Graetsch mitunter kritisch. Insbesondere gab er zu bedenken, dass ein solches Konzept die Gefahr falscher Anreize berge und zu einer einseitigen Produktentwicklung bzw. Machtkonzentration führen könne. Ferner stellte er klar, dass sich der Schutz des Schutzzertifikats nicht auf das gesamte Patent, sondern nur auf das Erzeugnis erstrecke. Dieses werde vom Gesetzgeber als Wirkstoff oder Wirkstoffzusammensetzung eines Arzneimittels definiert. Allerdings unterstrich Herr Dr. Graetsch, dass diese vermeintlich einfach anmutende Definition des Erzeugnisses in der Praxis an ihre Grenzen stoße. Dies belegte er mit einigen, teils sehr überraschenden Entscheidungen des EuGH, welche sich offenbar von teleologischen Erwägungen leiten ließen.

In seinem Fazit machte Herr Dr. Graetsch deutlich, dass die Verordnung dringend reformbedürftig sei. Dabei zeigte er die verschiedenen Anpassungsmöglichkeiten auf, betonte jedoch, dass es für gesicherte Erkenntnisse empirischer Studien bedürfe. Dies scheint auch die EU-Kommission erkannt zu haben, die inzwischen einige Studien in Auftrag gegeben hat, welche das ergänzende Schutzzertifikat von Grund auf durchleuchten sollen.

Abschließend wurden noch einige Fragen aus dem Publikum gestellt. Auch für den nachfolgenden Sektempfang bot der Vortrag reichlich Gesprächsstoff. Wir bedanken uns recht herzlich bei Herrn Dr. Graetsch für den spannenden und lehrreichen Überblick zu diesem auf den ersten Blick recht speziellen Thema sowie bei der eifrigen Zuhörerschaft, die – trotz sommerlicher Temperaturen – mit Fragen und Anmerkungen für eine lebhafte Diskussion sorgte.