Erste Analyse des Grundsatzurteils in Gutachten für EU-Parlament
In diesem Frühjahr hat der Gerichtshof der Europäischen Union die Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung für nichtig erklärt und damit viele Diskussionen entfacht. Die Verfechter der Datenspeicherung auf Vorrat sehen darin den Verlust eines wichtigen Mittels der Strafverfolgung. Gegner der Vorratsdatenspeicherung sehen sich hingegen bestätigt, dass die unbegründete und anlasslose Speicherung personenbezogener Daten gegen Grundrechte verstößt und so die Garantie auf Privatsphäre gewahrt bleibt. Die Hintergründe und Auswirkungen dieses wegweisenden Urteils in ganz Europa sind nun zum ersten Mal in einer wissenschaftlichen Studie von Prof. Dr. Franziska Boehm (Juniorprofessur für IT-Recht) vom Institut für Informations-, Telekommunikations- und Medienrecht der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (WWU) und ihrem Kollegen Prof. Dr. Mark D. Cole von der Universität Luxemburg analysiert worden.
Gestern haben beide Professoren das gemeinsame Gutachten im EU-Parlament in Brüssel dem Abgeordneten Jan Philipp Albrecht (Grüne) übergeben. Die Studie wurde im Auftrag der Fraktion der europäischen Grünen erstellt.
Die Untersuchung analysiert das Urteil, das – in einem umstrittenen Rechtsgebiet – neue Datenschutzgrundsätze für den zukünftigen Umgang mit Daten in großen Datensammlungen aufstellt. Auch beleuchtet die Studie den Einfluss auf bestehende Gesetze zur Vorratsdatenspeicherung in den einzelnen EU-Mitgliedstaaten. Zudem werden die Auswirkungen des Urteils in Bezug auf existierende und geplante Vorratsdatenspeicherungen auf europäischer Ebene beurteilt, wie zum Beispiel die geplante Speicherung der Bank- und Fluggastdaten, und ein kritischer Blick auf internationale Abkommen zum Datenaustausch zwischen der EU und den USA geworfen.
Ein wichtiges Ergebnis der Studie ist, dass die anlasslose Speicherung von Daten auf Vorrat nicht mehr mit EU-Grundrechten vereinbar ist. Dies hat gravierende Auswirkungen auf noch bestehende mitgliedstaatliche Gesetze zur Vorratsdatenspeicherung, die jetzt geändert bzw. abgeschafft werden müssen. Auch die erwähnten internationalen Abkommen (Fluggast- und Bankdatenaustausch), die die Weiterleitung von Daten an Drittländer, insbesondere an die USA vorsehen müssen gegebenenfalls neu verhandelt werden.
Abrufbar unter: http://www.uni-muenster.de/Jura.itm/hoeren/materialien/boehm/Boehm_Cole-Data_Retention_Study-June_2014.pdf
