Kriegsberichte aus erster Hand, PETA Aufmärsche vor dem Landgericht Münster und jede Menge Traubenzucker – die diesjährige Zusatzausbildung „Journalismus und Recht“ am ITM hatte einiges zu bieten.
Ein Bericht von Constantin Luft
„Wer schlecht schreibt, kann auch nicht richtig Denken.“ Das ist wahlweise bei Theodor Adorno oder Thomas Fischer nachzulesen. Egal ob man es nun eher mit ehemaligen Bundesrichtern oder philosophischen Meisterdenkern der 68er hält, der Befund bleibt; und Juristen dürfen sich besonders angesprochen fühlen. Es gibt wohl kaum eine Berufsgruppe in welcher der Anspruch auf intellektuelle Schärfe und die Wirklichkeit sprachlicher Rätselhaftigkeiten derart auseinandertreten.
Erfreulicherweise finden sich auch Menschen, die gründlich darin geschult sind, verständlich zu schreiben: Journalisten. Und zum Glück lassen sich beide Professionen am Ende wunderbar verbinden – das könnte ein komprimiertes Fazit der jüngsten Zusatzausbildung „Journalismus und Recht“ am ITM sein.
Vom 12. bis zum 16. März haben 16 Teilnehmer aus ganz Deutschland – vom Studenten vorm ersten Examen über den Doktoranden, praktizierenden Anwalt oder Richter bis hin zum Zeitungsvolontär – in den Räumlichkeiten des ITM einen einzigartigen Überblick über die zahlreichen Schnittstellen beider Fachgebiete erhalten.
Kurz nach der Ankunft, wurden die Seminaristen dann auch gleich ins kalte Wasser geworfen. Jeder musste unter Zeitdruck einen kurzen Vortrag zu einem vorgegebenen Thema recherchieren. Sodann präsentierten ausgewählte Referenten ihre Ergebnisse, um sich im Anschluss der Kritik von Professor Hoeren (in seiner Eigenschaft als ausgebildeter Rhetorikcoach) zu stellen. Besonderes Augenmerk legte Prof. Hoeren auf den typischen Befund, dass selbstbewusstes Auftreten und inhaltliche Tiefe meist in einem antiproportionalen Verhältnis auftreten; dazu noch angereichert mit einem kleinen Gender Bias.
Anschließend erläuterte Rudolf Porsch – stellvertretender Direktor der Axel Springer Akademie – verschiedene Möglichkeiten der journalistischen Ausbildung, die er mit zahllosen spannenden Ausflügen in die eigene unkonventionelle Biographie besonders plastisch werden ließ.
Den ersten Seminartag schloss sodann der ehemalige WDR-Redakteur Andreas Janning mit einem Vortrag über Juristen in den Medien ab – allerdings nicht ohne vorher noch jeden Zuhörer mit einer Portion Traubenzucker gehörig aufzuputschen.
Aufmerksamkeit war auch an Tag zwei gefragt, an dem Jörg Overbeck (Pressesprecher einer renommierten Wirtschaftskanzlei) den Seminaristen anhand einiger praktischer Übungen einen authentischen Einblick in seinen Arbeitsalltag vermitteln konnte.
WN-Redakteurin Karin Völker machte diese sodann mit der journalistischen Technik einer Gerichtsreportage vertraut, bevor Professor Joachim Jahn (Mitglied der NJW-Schriftleitung) den Print-Journalismus vorstellte. Dabei ließ er es sich nicht nehmen, auf die zahlreichen sprachlichen Kuriositäten (Nominalstil, Passiv, Schachtelsätze etc.) einzugehen, die Juristen allerorts produzieren. So konnten die Anwesenden an diesem Tag die Ratschläge gegen den verquasten Stil, der laut Jahn zum juristischen Standesdünkel gehöre, mit ins Bett nehmen.
Nachdem Anke Zimmer-Helfrich und Ruth Schrödel vom Beck-Verlag den Seminaristen näher bringen konnten, wie man am besten vorgeht, wenn man seine eigene juristische Fachzeitschrift auf den Markt bringen möchte und Rüdiger Schäfer (ehemaliger Justiziar bei Gruner + Jahr) eine kurze Einführung in die Pressethik gegebenen hatte, wurde es am nächsten Tag so richtig praktisch.
Man traf sich früh morgens vorm Landgericht Münster, um dort nach dem Besuch der Verhandlungen eine eigene Gerichtsreportage zu verfassen. Und für ungemeine Spannung sollte gesorgt sein: Sei es die lautstarke Tierschützerdemo vor dem Gerichtsgebäude als Vorbote für die unappetitlichen Details in einem Prozess rund um einen jungen Hundequäler oder die bizarre Verhandlung einer Discoschlägerei, in deren Verlauf die beteiligten Polizisten zugeben mussten, sowohl die nächtliche Tatörtlichkeit als auch Täter und Opfer verwechselt zu haben.
Reichlich Stoff also für journalistische Eigenproduktionen, die später untereinander vorgestellt und mithilfe von Karin Völker diskutiert werden konnten. OSta Dr. Ina Holznagel rundete diesen ereignisreichen Tag dann mit Erfahrungsberichten aus ihrer Arbeit als Pressesprecherin der Staatsanwaltschaft ab, die sie stets mit einem kritischen Blick auf die mediale Gewaltberichterstattung würzte.
Zum Abschluss der Woche brachte Ina Reinsch (Redakteurin ARZT & WIRTSCHAFT) der Gruppe das Feature als Darstellungsform für Rechtsthemen näher und klärte gleichzeitig über das Berufsbild „freier Journalismus“ auf. Ihr folgte schließlich Friedrich Kurz (Redakteur bei Frontal 21), der die Seminaristen in seinen Bann zog, indem er jeden hautnah miterleben ließ, welchen Erlebnissen ein Kriegsreporter tagtäglich ausgesetzt ist. Besonders die Geschichte hinter dem Foto einer erwachsenen Frau, die Kurz noch als wehrloses Kleinkind im belagerten Sarajevo kennengelernt hatte, ließ den Seminarraum (wohlgemerkt voller Juristen) samt Referenten sichtlich gerührt zurück.
Nach diesem letzten emotionalen Höhepunkt konnten auch gleich die Zertifikate ausgehändigt werden.
Am Ende der Zusatzausbildung hatte jeder Teilnehmer viel gedacht und viel geschrieben – beides hoffentlich etwas besser als zuvor.