Bild: Helios Production BSD Coremedia
Arizona, Madrid, oder Gizeh – fast jeder kennt die beliebten Sandalenmodelle der Firma Birkenstock.
Die Geschichte der Sandalen begann 1774 mit dem Schuhmacher Johannes Birkenstock und seinem Urenkel Konrad Birkenstock, der 1896 eine orthopädische Schuhmacherei eröffnete. Dabei entwickelte er verschiedene Leisten und konnte 1925 seine Einlagen als „Fußbett“ beim Reichspatentamt eintragen lassen. Diese wurden dann später mithilfe einer festverbauten anatomisch geformten Einlage durch Konrads Enkel Karl Birkenstock massenproduzierbar gemacht. Im Laufe der Zeit kamen immer mehr Modelle hinzu, die später auch international verkauft wurden. Das Unternehmen wuchs dank wachsender Beliebtheit der Schuhe stetig und ist mittlerweile ein börsennotiertes Unternehmen.
Aufgrund zunehmender Popularität produzieren immer mehr Konkurrenten ähnliche Modelle. Birkenstock verlangt daher von diesen eine Unterlassung der Verwendung und Schadensersatz, weil die Sandalen urheberrechtlich geschützt seien.
Doch sind die Schlappen tatsächlich urheberrechtlich geschützt?
Warum Urheberrecht?
Der Urheberrechtsschutz unterscheidet sich in wichtigen Punkten von anderem Rechtsschutz, insbesondere in Bezug auf Entstehung, Schutzdauer und Reichweite. Während der Designschutz das äußere Erscheinungsbild eines Produkts wie etwa Form oder Farbe schützt, muss das Design zuvor beim Amt eingetragen werden und ist auf maximal 25 Jahre begrenzt. Das Urheberrecht hingegen entsteht automatisch mit der Schaffung eines Werkes und schützt persönliche geistige Schöpfungen, wie Kunstwerke, Texte oder – unter bestimmten Voraussetzungen – auch Produktdesigns. Ein großer Vorteil: Das Urheberrecht gilt bis 70 Jahre nach dem Tod der Urheberin bzw. des Urhebers und bietet so einen deutlich längerfristigen Schutz. Außerdem ist keinerlei Anmeldung oder Registrierung notwendig.
Genau aus diesem Grund strebte Birkenstock den Urheberrechtsschutz für die Form seiner Sandalen an. Durch die Anerkennung als urheberrechtlich geschütztes Werk sollte diese weiterhin rechtlich abgesichert bleiben.
Unterlassung und Schadensersatz nach dem Urhebergesetz
Der Urheber eines Werkes kann nach § 97 Absatz 1 des Urhebergesetzes (UrhG) Unterlassung und Schadensersatz verlangen, wenn sein Urheberrecht durch einen Dritten verletzt wird.
Karl Birkenstock hat unter anderem die Modelle „Madrid“ (1963) und „Arizona“ (1973) entworfen und könnte somit als Urheber dieser gelten. Dafür müssten die Sandalen und ihre einzigartige Sohle ein Werk im Sinne des § 2 UrhG sein. Das Urheberrecht schützt grundsätzlich freie, kreative Leistungen, nicht aber solche, die ausschließlich zweckgerichtet oder technisch sind.
Das Urteil
Nach § 2 Absatz 1 Nr. 4 UrhG fallen Werke der bildenden Kunst unter diesen Werkbegriff, wenn sie nach Absatz 2 persönliche geistige Schöpfungen sind.
Zu prüfen ist also in zwei Schritten:
- Künstlerische Gestaltung und
- Schöpferische Weise.
Eine künstlerische Gestaltung setzt nach dem BGH eine Schöpfung individueller Prägung voraus, deren ästhetischer Gehalt einen solchen Grad erreicht hat, dass nach Auffassung der für Kunst empfänglichen und mit Kunstanschauungen vertrauten Kreise von einer künstlerischen Leistung gesprochen werden kann.
Der/die Urheber:in selbst muss ausreichend darlegen, dass die vorhandenen gestalterischen Freiräume künstlerisch genutzt wurden. Dies ist dann nicht der Fall, wenn die Merkmale entweder technisch zwingend oder technisch bedingt sind. Die der Gestaltung der Birkenstock-Sandale sei jedoch weitgehend von funktionalen Aspekten bestimmt.
Birkenstock pochte darauf, dass Karl Birkenstock seine künstlerische Gestaltung durch die Auswahl der Sohlenform, des Materials, der Schnallen und der Riemenführung und die verschiedenen Kombinationen dargelegt hat. Ein Gutachten aus dem Verfahren vor dem OLG Köln bestätigte, die Sandalen hätten „durch ihre Einfachheit eine moderne und ehrliche Ästhetik“. Der Fall ging zunächst vor das LG Köln, welches der Klage von Birkenstock stattgab. In der höheren Instanz, vor dem OLG Köln, wurde die Klage allerdings abgewiesen. Zunächst wurde festgestellt, dass die Sandalen trotz ihrer funktionalen Einschränkungen – sie benötigen mindestens eine Sohle und einen Riemen – dem Urheberrechtsschutz grundsätzlich zugänglich sind und ein Gestaltungsspielraum besteht. Das OLG verneinte allerdings, dass dieser Spielraum über das rein Handwerkliche hinausgehend genutzt wurde. Birkenstock habe sich bei der Gestaltung lediglich an funktionale Vorgaben gehalten und den künstlerischen Freiraum nicht ausgenutzt. Auch das verwendete Material diene nur funktionalen und gesundheitlichen Aspekten, nicht aber der kreativen Gestaltung. Dieses Argument des OLG sei auch darin bestärkt, dass der Schuh auf der Birkenstock-Homepage als „Gesundheitssandale“ deklariert wird. Birkenstocks Argument, die unverblendete Sohle sei eine künstlerische Entscheidung, wies das OLG zurück: Auch hier sei die Entscheidung eher funktional und marketinggetrieben als kreativ.
Der BGH bestätigte anschließend das Urteil des OLG. Die Sandalen seien keine urheberrechtlich geschützten Werke, da zwar Gestaltungsspielraum bestünde, dieser aber nicht ausreichend künstlerisch genutzt worden sei. Damit Urheberrechtsschutz Anwendung finde, sei mehr als bloße handwerkliche Ausführung erforderlich, es müsse Individualität und künstlerischer Ausdruck erkennbar sein. Das sei bei den Birkenstock-Modellen nicht der Fall.
Somit stellt der BGH fest, dass Birkenstock-Sandalen keinen Urheberrechtsschutz als Werke angewandter Kunst nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG genießen.
Ausblick
Was bedeutet dieses Urteil nun für Birkenstock? Zunächst besteht kein Urheberrechtsschutz für das Sandalendesign. Birkenstock kann sich also nicht auf das Urheberrecht berufen, um Nachahmungen ihrer Sandalenmodelle zu verbieten. Solange keine anderen Schutzrechte verletzt werden (z.B. Markenrecht oder Designrecht), können Wettbewerber optisch ähnliche Sandalen legal anbieten. Birkenstock muss sich nun auf Markenrecht, Designschutz oder Wettbewerbsrecht stützen, um gegen Nachahmungen vorzugehen. Diese Schutzformen sind aber enger begrenzt und oft kürzer befristet.
Quellen:
BGH Urt. v. 20.02.2025 – I ZR 16/24; I ZR 17/24; I ZR 18/24
https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/bgh-izr1624-birkenstock-sandale-kunst-kunstbegriff-barbie
Bild
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