Journalismus und Recht 2019: Ein Erfahrungsbericht

Für Juristinnen und Juristen eröffnen sich auch abseits klassischer juristischer Laufbahnen zahlreiche Chancen. Großer Beliebtheit erfreut sich die Verbindung von juristischer und journalistischer Tätigkeit. Genau an dieser Schnittstelle setzt die Zusatzausbildung „Journalismus und Recht“ am ITM an, die auch in diesem Jahr von 16 Teilnehmern aus ganz Deutschland absolviert wurde.

Ein Bericht von Julius Müller-Kassner

„Juristen und Journalisten haben vor allem gemeinsam, dass ihr Werkzeug die Sprache ist.“ Rudolf Porsch, stellvertretender Direktor der Axel Springer Akademie, macht am ersten Tag der Zusatzausbildung deutlich, warum sich eine Verknüpfung der beiden Fachgebiete anbietet. Ebenso deutlich wird, dass dieses Werkzeug von Juristen und Journalisten gänzlich unterschiedlich verwendet wird – eine Hürde, die überwunden werden kann, wie sich im Laufe der Woche zeigen wird.

Bereits zum 19. Mal fand auch in diesem Jahr die Zusatzausbildung „Journalismus und Recht“ am ITM statt. Den Teilnehmern, darunter Studien- wie Berufsanfänger, bot sie eine intensive Woche und einen praxisnahen Einblick in die Schnittstelle von journalistischer und juristischer Tätigkeit.

Schon der erste Programmpunkt verlangte den Teilnehmern zwei klassisch journalistische Fähigkeiten ab: Arbeiten unter Zeitdruck und Auftreten vor Publikum. Eine Stunde hatten die Teilnehmer, um einen Vortrag über ein vorgegebenes und inhaltsschweres Thema vorzubereiten. Die anschließende Präsentation fand unter dem kritischen Auge von Prof. Dr. Thomas Hoeren statt, Leiter der zivilrechtlichen Abteilung des ITM und ausgebildeter Rhetoriktrainer. Schwierigkeiten zeigten sich vor allem darin, den Vortrag dem Wissensstand und Erwartungshorizont des Publikums anzupassen, inhaltlich wie rhetorisch. Ein Mittelweg zwischen Examensvortrag und rhetorischem Übereifer müsse gefunden werden.

Anschließend widmete sich Rudolf Porsch, stellvertretender Direktor der Axel Springer Akademie, den verschiedenen beruflichen Pfaden auf dem Weg zum Journalisten. Mit den Chancen und Schwierigkeiten journalistischer Laufbahnen in direktem Kontakt verstand er es, Begeisterung für das journalistische Arbeiten zu entfachen. Und nicht zuletzt sorgten seine Schilderungen von internen Entscheidungsprozessen bei der Bild-Zeitung für Erstaunen.

Zum Abschluss des ersten Tages machte Prof. Dr. Joachim Jahn, Mitglied der Schriftleitung der NJW, auf die sprachlichen Eigenarten der Juristen aufmerksam. Mit zahlreichen Beispielen zu holprigen Satzgebilden, geschwollenen Substantivierungen und unverständlichem Kanzleistil zeigte er, wie weit juristische und journalistische Sprache auseinander liegen können.

Die Referenten des nächsten Tags zeigten die Vielfalt an Möglichkeiten, Journalismus und Rechtswissenschaft beruflich zu verbinden. Jan Beßling, Pressesprecher und Marketing-Leiter einer renommierten Wirtschaftskanzlei, gewährte Einblick in seinen Berufsalltag, von der Gründung einer neuen Kanzleiniederlassung bis hin zu unangenehmen Telefonanfragen. In praktischen Übungen mussten sich die Teilnehmer dann selbst in den oft heiklen Situationen der Öffentlichkeitsarbeit behaupten.

 

Andreas Janning führte als ehemaliger WDR-Redakteur mit Schwerpunkt Recht und Justiz in die Welt des Radio- und Fernsehjournalismus ein. Anhand von eigenen Fernsehbeiträgen wurde deutlich, dass juristischer Inhalt interessant und allgemeinverständlich aufbereitet werden kann. Obendrauf gab es für die Seminaristen einen Energieschub per Traubenzucker und ein Sendung-mit-der-Maus-Poster zum Mitnehmen.

Der Mittwoch stand ganz im Zeichen von redaktioneller Arbeit bei juristischen Fachzeitschriften. Unter der Anleitung von Anke Zimmer-Helfrich und Ruth Schrödl, Chefredakteurin und Redakteurin beim C.H. Beck-Verlag, durften sich die Seminarteilnehmer als Zeitschriften-Start-up versuchen und eine eigene juristische Fachzeitschrift konzipieren. Auch wenn die Wirtschaftlichkeit der Zeitschriften teils etwas außer Acht gelassen wurde, überzeugten die Teilnehmer mit innovativen Ideen für neue Fachzeitschriften.

Der nächste Tag begann früh vor den Türen des Landgerichts Münster. Nach einer Einführung durch Pressesprecher Dr. Steffen Vahlhaus besuchten die Teilnehmer verschiedene Gerichtsverhandlungen, um anschließend eine Gerichtsreportage zu verfassen. Ob Diebstahl, Fahrerflucht oder medizinische Details in einem Arzthaftungsprozess: Auch ohne Mord- und Totschlag gab es eine Menge zu berichten.

 

Karin Völker, Redakteurin der Westfälischen Nachrichten, hatte die Teilnehmer schon zu Beginn der Woche mit den Techniken der Gerichtsreportage vertraut gemacht und lauschte nun den Ergebnissen. Die Arbeit als Gerichtsreporterin sei oft unvorhersehbar und verlange manchmal auch die Fähigkeit, aus wenig viel zu machen, so ihr Fazit. Trotz allgemeiner Erschöpfung fesselte Oberstaatsanwalt und Pressedezernent Martin Botzenhardt die Teilnehmer am Abend mit diversen presseethischen Fragestellungen, etwa zur Verdachtsberichterstattung und zur Nennung der Herkunft von Tätern.

Sein Finale und nach Meinung aller auch seinen emotionalen Höhepunkt fand das Seminar im Vortrag von Friedrich Kurz, Redakteur bei Frontal 21. Mitreißende Erzählungen unterlegten seine Fernsehberichte, die von der Aufdeckung des Dieselskandals über die Begleitung von DDR-Flüchtlingen bis hin zu Kriegsberichten aus Sarajevo reichten. Auch wenn Referent wie Zuhörerschaft wohl noch lange weiter erzählt und zugehört hätten, endete das Seminar schließlich mit der Verleihung der Zertifikate.

Die Worte Professor Hoerens zu Beginn der Woche, dass die Teilnehmer nach den fünf Tagen erschöpft ins Bett fallen werden, werden sich wohl weitgehend bestätigt haben. Nach den ereignisreichen Tagen blicken sie aber vor allem auf interessante Vorträge und lehrreiche Praxisübungen zurück und mit neuer Perspektive auf die Schnittstelle zwischen Journalismus und Recht.