Digitales Experiment geglückt: Journalismus und Recht 2021

Das Seminar Journalismus und Recht sah sich, wie so viele Veranstaltungen dieses Jahr, von der Pandemie bedroht. Eine Veranstaltung, die unter gewöhnlichen Umständen vom kommunikativen und direkten Austausch zwischen TeilnehmerInnen und DozentInnen lebt, könne ja nicht online stattfinden. Trotzdem entschied sich der Lehrstuhl von Prof. Hoeren, es zu versuchen und lud TeilnehmerInnen aus dem ganzen Land zu einer digitalen Veranstaltung ein. Wie hervorragend diese Entscheidung sein würde, war am 08.03.2021 um 9 Uhr noch nicht abzusehen, sollte sich aber in den folgenden drei Tagen zeigen.

Von Christoph Clemen

Als Lennart Rödel an einem kalten Montagmorgen im März seinen Laptop hochfährt, muss er sich zwar noch den letzten Schlaf aus den Gliedern schütteln, doch die Vorfreude auf das anstehende Seminar fesselt ihn schnell an seinen Schreibtischstuhl. Nachdem er zunächst den falschen Link aus der Mail geöffnet hat, schafft er es doch noch um kurz vor 9 Uhr in die Zoom-Konferenz. Prof. Hoeren, der Organisator der Veranstaltung, beginnt seine Begrüßung. Blitzartig rollt eine Kaskade von Gesichtern über den Bildschirm. Die TeilnehmerInnen haben ihre Kameras eingeschaltet. Für Lennart, der in Wirklichkeit einen anderen Namen trägt, beginnt wie für seine 24 MitstreiterInnen ein Seminar, das lehrreicher und informativer nicht sein könnte.

Genau wie ihm erging es allen TeilnehmerInnen in den Tagen vom 8. bis zum 10. März. Nicht am ITM, sondern an den Schreibtischen und in den Wohnzimmern dieses Landes fand die Journalistenausbildung für Juristen statt.

Nach einer kurzen Einführung durch Prof. Dr. Thomas Hoeren wurden die TeilnehmerInnen rhetorisch geschult. Der geübte Rhetoriklehrer ließ die aufgeweckten ZuhörerInnen Kurzvorträge zu ausgewählten Themen anfertigen. Hierzu wurde ihnen eine Stunde Zeit gewährt, die in einen zwölfminütigen Vortag mündete. Nachdem sich einige Mutige den ersten Schweiß von der Stirn gewischt hatten, hielten sie ihre Vorträge. Diese fielen stilistisch kunterbunt aus. Prof. Hoeren und die übrigen ZuhörerInnen gaben sodann konstruktive Kritik. Die TeilnehmerInnen erfuhren, dass für einen guten Vortrag auch im 21. Jahrhundert Cicero das Maß aller Dinge ist.

Im Anschluss gab Prof. Dr. Joachim Jahn, Mitglied der Chefredaktion der NJW und ehemaliger Redakteur im Wirtschaftsressort der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, einen spannenden Einblick in den Printjournalismus in Tageszeitungen und Fachzeitschriften. Dabei richtete Prof. Jahn das Augenmerk auf die richtige Ausdrucksweise. Er übte mit den Anwesenden, typische juristische Formulierungen zu vermeiden, die dem Leser nicht selten den Lesefluss erschweren. Bereits hier zeichnete sich das große Interesse der TeilnehmerInnen ab. Prof. Jahn stand allen Fragen zu seinem Beruf und der richtigen Schreibweise Rede und Antwort.

Den thematisch perfekten Übergang besorgte daraufhin Karin Istel, persönliche Referentin des Hamburger Schulsenators. In ihrem Vortrag „Sag es einfach, kompliziert kann jeder“ erläuterte sie, auf welche Stilregeln die jungen JuristInnen achten müssen, wenn sie einen journalistischen Aufsatz verfassen. Im Gedächtnis blieb dabei, dass man bei seiner Arbeit immer ein „Küsschen“ in Betracht ziehen solle. Dabei wollte Frau Istel keinen Werbeblock für einen italienischen Süßwarenhersteller starten, sondern bezog sich auf die Abkürzung „KISS“. Der Grundsatz „keep it short and simple“ sei der Ausgangspunkt jeder guten Schreibarbeit.

Als krönender Abschluss des ersten Tages berichtete Alexander Rupflin, freiberuflicher Reporter und ehemaliger Teilnehmer des Seminars, über seine Erfahrungen. Er unterrichtete die TeilnehmerInnen über seinen Werdegang und beleuchtete dabei sowohl sein berufliches als auch emotionales Engagement, das sich im Darstellungsmittel seiner Wahl – der (Gerichts-)Reportage – wiederspiegelt. Gerade aufgrund der großen zeitlichen Nähe zum Teilnehmerfeld konnte er den anschließen Fragenhagel mit Bravour beantworten und stillte so die Neugier aller.

Am Dienstag stellten vom C.H.Beck-Verlag Anke Zimmer-Helfrich, Chefredakteurin, und Ruth Schrödl, Redakteurin, den Berufsalltag in Lektorat und Redaktion vor. Anschließend lag es an den TeilnehmerInnen, eine eigene juristische Fachzeitschrift zu konzipieren. Um eine zeitgemäße Zeitschrift zu entwickeln, ließen sich die jungen JuristInnen Konzepte einfallen wie erNeuerbar, Justitia, EiS, Klecks und Recht*Divers. Dabei wurden Themenfelder von internationalen Gerichtsentscheidungen, über erneuerbare Energien und Jugend, bis hin zur Diversität juristisch eingerahmt. Im Anschluss wurde diskutiert und Frau Zimmer-Helfrich und Frau Schrödl konnten Einblicke in ihren Berufsalltag geben. Dabei wurden auch politische Fragen rege diskutiert.

Als Abschluss des zweiten Tages durften die TeilnehmerInnen dem Erfahrungsbericht von Dr. Wulf Schmiese, Leiter der Redaktion des heute-journals im ZDF, lauschen. Dabei legte er Wert auf die richtige Einordnung der Arbeit im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Er brannte den TeilnehmerInnen förmlich ein, wie wichtig eine gute Recherche ist und wie selten Fehler geschehen, wenn man sich streng an die eigenen Vorgaben hält. Spannend und informativ unterfütterte er seinen Bericht mit Anekdoten, wie seiner Reportagereise nach Afghanistan zu Beginn dieses Jahrhunderts. Die anschließenden Fragen waren vielschichtig und wurden von Dr. Schmiese geduldig beantwortet. Etwas verspätet, doch mit gestilltem Wissensdurst wurden die Teilnehmer dann entlassen. Das heute-journal fand trotz allem pünktlich um 21.45 Uhr statt.

Am Mittwoch zeigte Rudolf Porsch, stellvertretender Direktor der Axel-Springer-Akademie, mögliche Wege in den Journalismus auf. Dies war für viele TeilnehmerInnen, die an der Kante zum Berufseinstieg und der Entscheidung „Jura und/oder Journalismus“ stehen, äußerst informativ. Die Digitalisierung verändert den Journalismus und die Ausbildung. Die Axel-Springer-Akademie sei dabei Vorreiter. Dabei machte Herr Porsch klar, dass man sich spezialisieren müsse, um erfolgreich zu sein: „Universaldilettantismus ist tödlich für die Karriere“. Das anschließende Gespräch konzentrierte sich dann auf wichtige Karrierefragen, die den TeilnehmerInnen unter den Fingernägeln brannten.

Hiernach stellte Ina Reinsch, Redakteurin von ARZT & WIRTSCHAFT und freie Journalistin, das Feature als Darstellungsform zwischen Bericht und Reportage vor. Nachdem sie die theoretische Einordung des Features vorgenommen hatte, machte sie zusammen mit den TeilnehmerInnen klar, wie man das Feature praktisch umsetzt. Dabei legte sie Wert darauf zu zeigen, dass das Feature das Erlebnis einer Einzelperson als StellvertreterIn für allgemeingültige Geschehnisse nachfühlbar macht. Zugleich bietet es einen spannenden Einstieg in ein hochinformatives Thema. Neue Darstellungsformen führten im Anschluss zu neuen Fragen, die Frau Reinsch sehr präzise beantwortete.

Welche Schwierigkeiten die Staatsanwaltschaft bei der Pressearbeit zu meistern hat, brachte Dr. Ina Holznagel, ehemalige Oberstaatsanwältin und jetzt Referatsleiterin im Justizministerium NRW, der Gruppe näher. Nachdem sie die Rechtsgrundlagen dargelegt hatte, durften sich die Anwesenden an kniffligen Presseanfragen erproben. Die Frage, ob die Nationalität von Tatverdächtigen öffentlich genannt werden sollte, ließ sie die TeilnehmerInnen dann rege diskutieren.

Im letzten inhaltlichen Teil durfte sich die Gruppe eines bekannten Gesichtes erfreuen. Prof. Jahn beehrte die Teilnehmer erneut. Um das Erlernte zu vertiefen, konnte sich die Gruppe daran versuchen, eine misslungene Pressemitteilung im berühmten „Emmely-Fall“ zu überarbeiten. Prof. Jahn übte sodann an der ursprünglichen und den umformulierten Pressemitteilungen konstruktive Kritik. Aus dieser konnten die TeilnehmerInnen wertvolle Hilfestellungen für ihr künftiges Schreiben ziehen.

Mit der Verleihung der Zertifikate endete das Seminar. Dabei wurde niemand mit offenen Fragen zurückgelassen. Jede Teilnehmerin und jeder Teilnehmer hat viel gelernt und kann sich nun ein genaueres Bild machen von den unzähligen Berufsfeldern, in denen Jura und Journalismus verbunden sind.

Das Erlebte konnte dann abends in einer lockeren Zoom-Runde diskutiert und verarbeitet werden. Dabei hatten die TeilnehmerInnen die Gelegenheit, sich zu vernetzen.

Lennart fiel wie viele seiner Mitstreiter am späten Mittwochabend ins Bett. Seine Gedanken kreisten immer noch um die letzten Tage. Er war müde, aber sehr zufrieden. Eine Vielzahl an Möglichkeiten hat er diese Woche an die Hand bekommen. Ob sein Weg ihn nun in den Journalismus oder doch in die juristischen Berufe führt, bleibt abzuwarten. Feststeht, dass er nun beide Wege kennt.

Das ITM bedankt sich herzlich bei Prof. Dr. Joachim Jahn, Karin Istel, Alexander Rupflin, Anke Zimmer-Helfrich, Ruth Schrödl, Dr. Wulf Schmiese, Rudolf Porsch, Ina Reinsch und Dr. Ina Holznagel.

© Prof. Dr. Thomas Hoeren, ITM™-Münster.